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Tagebuch meiner 100-tägigen Indien-Reise
Info: 20 Rs (Rupie) = 1 DM
Erfurt, 24. November 2000
Angesichts der Tatsache, daß ich nächste Woche nach Indien fliegen werde und es dort mittlerweile eine Menge Internetcafes geben soll, hatte ich die Idee, ein Tagebuch auf dieser Seite anzulegen.
Wenn ich dann irgendwo viele Tage in der Wildnis unterwegs bin und plötzlich in einem winzigen Dorf auf ein solches Cafe stoße, will ich dann niederschreiben, was ich alles so erlebt habe.
Und jeder, der wissen will, wo ich mich gerade rumtreibe, kann das dann hier nachlesen.
Zwar kann ich in der Zwischenzeit nicht an meiner Fotogalerie weiterarbeiten, aber wenn ich wiederkomme, habe ich sicher einige neue Impressionen. Für diese Reise habe ich mir auch einen Vorrat von 79 Filmen angelegt.
Momentan bin ich ziemlich im Streß mit allen möglichen Dingen und die Zeit rennt mir nur so davon.
In einer Woche brauche ich mir über das meiste wohl keine Platte mehr machen, aber dafür gibt es dann sicher wieder anderes. Laß ich mich einfach mal überraschen ...
Delhi, 30. November 2000
Es ist Donnestag Abend und ich sitze in einem stickigen Internet-Shop in Old Delhi mit uralten, langsamen Rechnern und etwas defekten, schmutzigen Tastaturen, aber es funktioniert.
Am Mittwoch hatte ich angefangen mein Zeug für die Reise zu packen und da ich erst Mittag aufstand, meinen Trabi noch stillegen und um 3 Uhr nachts wieder aufstehen mußte, habe ich nur vier Stunden geschlafen. Dafür war ich in Frankfurt der erste am Terminal und bekam einen Fensterplatz im Flugzeug. Zwischenstop in Wien und umsteigen in Amman (Jordanien).
Dort hielt man mich erst für eine Frau und schickte mich zum Frauenschalter, wo ich aber wieder zurückschickt wurde, da ich keine war. Das Flughafenpersonal war dadurch ziemlich erheitert.
Im Flugzeug nach Delhi traf ich zwei Deutsche und einen Franzosen, die sich gerade kennengelernt hatten und mit mir zusammen in die Stadt fahren und ein Zimmer mieten wollten.
Als wir Nachts um 5 über den Bahnhof liefen, kamen wir an einem Schalter vorbei, wo etwa 8 Inder in einem 2 x 2 Meter kleinen Raum standen und einer mit grinsendem Gesicht Hello Mister durch das Loch in der Glasscheibe rief. Er wollte uns ein Taxi für 360 Rupie bestellen - runtergehen wollte er im Preis nicht. Unser Wortwechsel war ziemlich lustig und hatten wir das Gefühl, im Zirkus zu sein. Als wir zu einem anderen Schalter liefen, fing er und die anderen hinter der Galsscheibe an, noch lauter durcheinander zu rufen und dieFahrt kostete nur noch 310 Rupie bei einem Kurs von etwa 1 DM : 20 Rs, also 4 DM pro Person.
Es fing langsam an zu dämmern, als wir in die Stadt fuhren. Es war schon einiges los auf den Straßen. Links und rechts überholten uns Autos, obwohl es es Gegenverkehr gab. Wenn sich von einer Seitenstraße ein Auto oder Bus genähert hat oder die Ampel rot war, wurde nicht gebremst, sondern kräfig gehupt. Viele Autos und anderweitige 'Fahrzeuge' hatten kein Licht und sahen aus, als ob sie jeden Moment auseinanderfallen. Dazwischen liefen auch immer wieder irgendwelche Menschen rum. Auf dem 'Main Bazzar' angelangt, fanden wir sofort ein Zimmer, was 80 Rupie pro Person ausmachte. Es standen nur 4 Betten im Zimmer, aber das reichte uns. Auf dem Dach angelangt, konnten wir sehen, wie gerade die rote Sonne hinter der Häuserkulisse aufging. Es waren noch etwas kühl, doch nach einem indischen Milchtee und ein paar Happen Essen, hat man da nicht mehr daran gedacht.
Wir waren gar nicht mehr so richtig müde, also bummelten wir durch die kleinen Gassen. Viele Menschen waren gerade am wachwerden. Sie schliefen in ihren winzigen Läden, auf einfachen Bettchen vor den Häusern oder lagen am Straßenrand. Überall hatten Leute kleine Stände aufgebaut und magere Kühe spazierten durch die Gegend. Die Wege wurden fleißig gekehrt, was Unmengen an Staub aufwirbelte. Überall wurden wir mit staunend lächelnden Gesichtern angesehen, man sagte uns hello, where are you from und how are you. Autos, Motoräder, Fahrradrikshas und handgeschobene Wägen schlängelten und hupten durch die Gassen, wobei ich das Gefühl hatte, ständig fast überrollt zu werden. Irgendwann gingen wir dann doch schlafen.
Die allgemeinen Zustände sind für den normalen Westeuropäer sicher nicht besonders anmutend, aber ich fühle mich hier wohl und habe es keinenfalls bereut, hergekommen zu sein.
Auf dem Weg von Delhi nach Srinagar, 31. November 2000
Eigentlich wollte ich ja nur zum Bahnhof gehen, um von dort aus mit dem Taxi zur Botschaft zu
fahren. Schon oft habe ich von den 'freundlichen' Menschen gehört und gelesen, die einem
in irgendeinen Laden mitschleifen, aber trotzdem hat mich gleich der erste gekriegt. Die nächstmögliche Bahnverbindung nach Varanasi wäre erst eine Woche später
möglich. Und da die Inder recht einfallsreiche Leute sind und vieles erzählen, habe ich mir doch glatt eine Fahrt ins Himalaya mit einer Übernachtung für 100 Mark andrehen lassen und hatte noch zweieinhalb Stunden Zeit, um mein Zeug zu packen.
Als ich gerade mein Hotelzimmer verlassen wollte, kam Anna wieder und die faßte sich an den Kopf. Sie selber wurde auch schon mal nach Srinagar abgeschleppt. Das liegt mitten in Kaschmir und Anna meinte, daß sie es dort nicht sonderlich toll fand, wo an jeder Ecke welche mit Knarre stehen, weil Bürgerkrieg herrscht. Es gibt nur eine Straße dorthin. Sie führt an Klippen vorbei, wo Wracks von heruntergefallenen Autos und Bussen liegen sollen.
Ich wollte das bezahlte Geld nicht einfach sausen lassen und sie schlug vor, mal ihre Tarot-Karten zu befragen:
'Soll ich hinfahren ?' - Der Turm
'Soll ich nicht hinfahren ?' - Der Tod
'Was würde mir dort begegnen ?' - Königin der Schwerter
Der Bedeutung nach alles keine so berauschenden Karten. Nach einigem überlegen beschloß ich mich spontan, trotzdem zu fahren und hechtete los, da ich schon spät dran war und es recht schwierig war, bei dem Gedränge eines Festumzuges vorwärts zu kommen.
Und nun sitze ich hier an der Hauptstraße am New Delhi Bahnhof und warte auf den Bus. Autos, Laster, Rikshas, Mopeds und Menschenmassen stömen vorbei. Die Luft ist sehr stickig und der Lärm dröhnt in meinen Ohren. Ich glaube verhandeln, nein sagen, Preise und Leute einzuschätzen muß ich noch lernen. Aber man sagt ja, daß man das in Kaschmir am besten geht.
Vorhin bin ich bei einem stundenlangen Festumzug auf einem Elefant geritten, was ganz lustig war. Bei einer Hochzeit auf der Straße, wurde ich zum tanzen aufgefordert und in die versammelte Menschenmenge hineingezogen. Die Leute tanzten um mich herum und ich tat es ebenso. Dann kam einer an, der mich davonscheuchte. Andere zogen mich wieder in die Massen hinein und ich wurde kurz darauf vom selben Mann wieder raugezerrt. Ein Polizist riß die Leute weg, die mich umschwärmten. Irretiert ging ich eine Seitenstraße entlang.
So landete ich in einer Gegend, wo es keine Touristen mehr gab. Es war sehr interesannt, die Menschen zu beobachten. Sie lächelten und gaben mir die Hand. Nach einiger Zeit begegnete ich einem Polizisten. Dieser sagte, daß er der Polizeichef von diesem Viertel ist und das eine unsichere Gegend sei. Als ich nach dm Weg zurück fragte, nahm er mich auf seinem Moped mit.
Viele Polizisten laufen ohne Waffen rum, bis auf einen langen, harten Bambusstock. Einmal hörte ich eine Polizeisirene und es kam ein kleines Auto mit roter Leuchte auf dem Dach. In dem Auto saß ein Inder mit Vollbart, geschwungenem Schnurrbart und dickem Turban, der lächelnd durch die schmale Straße raste.
* * *
Jetzt bin ich im Bus auf der Fahrt nach Kaschmir. Statt mit einer Gruppe von 17 Touristen sitze ich hier als einziger Ausländer. Die Leute wirken anders. Sie lächeln einen nicht an, wie die in Delhi. Eine Mischung aus Western- und Orient-Musik spielt. Wir fahren durch viele Orte, die total verarmt wirken. Der Sonnenaufgang war sehr schön. Ewig ausgeweitete Flußbetten links auf dem steilen Weg in die Berge. Zerfallene Häuser, Hütten aus Stroh, kleine Felder - umrandet von einer dichten Reihe aus Bäumen und Hecken am Straßenrand. Ab und zu lungern Affen rum. Die Häuser sind bunt bemalt mit westlicher Werbung. Ein einsames Haus mitten im Feld. Ein Kamel unter einem Baum angebunden und Kühe auf der Straße. Bis jetzt sind wir an 3 Militärstützpunkten vorbeigefahrenen, mußten aber nicht anhalten. Aus einem 'Tagebau' ragte ein Stück stehengelassenes 5 m hoches Erdtürmchen, auf dem ein Strommast stand - sah recht amüsant aus.
Mittlerweile ist der erst ziemlich chaotische Verkehr weniger geworden. Dafür sieht man immer öfter Militär. Auch hier im Bus ist einer mit Maschinengewehr und andere reichen sich eine Pistole hin und her. Mir ist etwas komisch zumute. In den Dörfern sind lauter kleine Stände aufgebaut, wo überwiegend Obst und Gemüse angeboten wird. Autowracks liegen am Straßenrand. Ein paar Frauen pickern hockend mit Stöcken in einem fast ausgetrockneten Flußbett. Was die wohl machen? Ein Vogelschwarm tummelt sich im restlichen Wasser. Das Land ist flach, es sind keine Berge zu sehen. Vereinzelt stehen Bäme auf Flächen mit Gräsern und Büschen.
Jetzt waren wieder Frauen in einem Flußbett. Fayaz, der mich nach Srinagar bringen soll, sagte, daß sie nach großen Steinen suchen. Als ich ihn fragte, ob er auch Inder ist, sagte er nein. Vielleicht distanzieren sich die Kaschmiris von Indien ? Warum ist da eigentlich Bürgerkrieg - oder ist der schon vorbei ?
Mittlerweile sind die nächtlichen Lagerfeuer erloschen, die in den frühen kalten Morgenstunden überall brannten. Gut daß ich meinen Schlafsack griffbereit hatte, denn es war so kalt im Bus, daß ich meinen Atem deutlich sehen konnte. Gerade lag ein LKW auf der Straße, weil ein Rad abgebrochen war. Die Hälfte der Säcke lag daneben und vom Fahrer keine Spur. In der Nacht waren auf einem Laster Musikanten mit ihren Gerätschaften. Mehrere von ihnen hockten dicht beieinander auf dem Boden und zwei mußten stehen, weil nicht mehr genug Platz war. Und das bei der Kälte.
* * *
Die Busfahrt ist zu Ende. Ich bin jetzt in Jammu und warte darauf, daß genug Leute für den Jeep zusammengekommen sind, um hochzufahren. Ein Soldat kam gerade am Parkplatz zu einem Schuhverkäufer mit einem Zettel, wo er seinen Fußabdruck aufgemalt hat. Der Verkäufer probierte dann die Fußskizze an verschiedenen Schuhen aus, bis er die richtige Größe fand. Zwei kleine Kinder kamen zu mir und fragten mich 'Hashish Hashish' mit einem Eimer honigartiger klebriger Masse in der Hand.
Die Fahrt ging mit dem Jeep 300 km durch die Berge. Die schmale Straße hatte keine besonders gute Qualität, aber trotzdem wurde bei reichlich Verkehr fleißig gehupt und überholt. Selbst vor scharfen Kurven fuhren wir an Trucks und Bussen vorbei.
Einmal mußten wir voll bremsen und standen an einer schmalen Stelle einem Bus gegenüber. Es war wirklich kein Platz mehr, um aneinander vorbeizufahren. Bis dann endlich mal einer ein Stück rückwärts fuhr, wurde erst einmal kräftig diskutiert.
* * *
Ich habe die Fahrt entlang der steilen Klippen sehr genossen und kam mir wie auf einer Fotosafari vor. Überall, selbst auf den abgelegenen Höhen der Berge waren einsame kleine Hütten. Am Straßenrand standern hier und da ein oder zwei Soldaten. Auf einem Teil der Strecke saßen viele Affen, die sich an den vorbeirasenden Autos keineswegs störten. Entlang der Straße gab es viele Hütten und man konnte die Leute beobachten, was sie so taten. Einmal fuhren wir um eine Kurve, hinter der ein halbnackter Mann stand, der sich die Haare wusch und Rasierschaum im Gesicht hatte.
Die Geschäfte gleichen der Bauart einer Garage, die tagsüber geöffnet sind und jeder schauen kann, was gerade gearbeitet wird oder was für Waren angeboten werden. Nachts wird einfach der Rolladen runtergemacht und drin geschlafen.
Srinagar, 3. Dezember 2000
Ich sitze auf einem Sessel vorm Ofen in meinem Zimmer auf einem Hausboot. Heute bin ich mit Fayas durch die Stadt gelaufen. Da Sonntag ist, war nicht so viel los. Hier und da sah ich ein paar Soldaten mit Gewehr und Sandsackbefestigungen, aber ansonsten wirkt die Stadt ganz normal.
Ich setzte mich am See auf die Ufermauer, lehnte mich an einen Laternenpfahl und beobachtete die Menschen auf der Straße und ihren kleinen Booten. Nebenbei aß ich Erbsen, machte ein paar Fotos und wartete, bis die Sonne nach etwa einer Stunde unterging. Später hörte ich die Gebetsgesänge der Moslems (etwa 90% der Bewohner). Es ist Ramadan. Meine Gastfamilie ißt und raucht trotzdem tagsüber heimlich weiter, was dem Glauben nach nur bei Sonnenuntergang erlaubt ist. Wer weiß, wie viele Nachbarn sich auch nicht dran halten.
Nacher muß ich mal schauen, wie teuer es ist, ein paar Tage hier zu bleiben. Es gibt einiges zu sehen. Vielleicht mache ich auch eine mehrtägige Bergwanderung mit. Aber jetzt gehe ich erst einmal essen.
* * *
Jetzt sitze ich wieder in meinem Zimmer. Die Verhandlung ist vorbei. Ich sagte, ich habe nur ein Tagesbudget von 400 Rs und konnte den anfänglichen Wucherpreis von 1000 auf 400 Rupie drücken. Zusätzlich hatte ich zu einem ganztägigen Ausflug in den 'Mughals Garden' für 1000 Rs zugesagt, damit ich wenigstens etwas von der Gegend hier sehe.
Dann meinte er, daß ich für die jetzige Nacht 900 Rs bezahlen müsse, da ein Mann wegen der Steuern schon da war. Ich war zwar mißtrauisch, sagte aber trotzdem zu. Dafür wollte ich eine Nacht weniger bleiben. Dann fiel ihm auch noch ein, daß er noch 15% Tax extra zahlen müsse. Als 'erhlich erzogener Westeuropäer' konnte ich ihm nicht ins Gesicht sagen, daß er wohl Blödsinn erzählt, da ich keine Beweise habe und ihn beleidigen könnte. Den richtigen Umgang und das feilschen mit den Indern muß ich erst noch lernen.
Srinagar, 4. Dezember 2000
Es ist Mittag. Ich wollte gegen neun aufstehen, hörte den Wecker aber nicht.
Ich träumte:
Ich war in einem Club oder etwas ähnlichem für Jugendliche, in dem ein Sozialarbeiter arbeitet. An diesem Abend sollte eine Party sein, wo alle Leute ihre Klamotten ausziehen. Als ich da war, hatten alle noch etwas an, bis auf einige, die schon etwas entkleidet waren. Aber darauf achtete ich nocht so.
Später träumte ich von einem Mann, der etwas zaubern (?) wollte, was allen 'etwas gutes' bringt. Ich glaube, die Person war Peter, den ich damals bei einem Indien-Diavortrag in Gera traf. Als er anfing ein paar Flüssigkeiten aus Reagenzgläsern zu mischen, sagte er plötzlich etwas mit 'Scheiße, das hätte ich erst zuletzt reinkippen sollen'.
Es passierte etwas und ich sah kurz verschiedene Orte, wo ich aber nicht viel erkannte, weil es so schnell war. Dann sah ich einen Baum im Garten meines Opas, bei dem rechts daneben eine Birke wuchs. Sie sah genauso alt aus wie der Baum selbst. Die Birke stand nur etwa einen halben Meter weite weg. Dann sah ich ein, zwei Birken auf einem Berg stehen, neben anderen Bäumen und ich wußte, daß diese vorher nicht da standen, obwohl ich diesen Berg vorher nie sah. Dann sah ich zwei Bilder mit einer halb und einer ganz toten Birke, die nur noch schwarze Äste ohne Blätter hatte. Diese sahen so schwarz aus, als ob sie abgebrannt wären. Dann sah ich eine halbverkrüppelte Birke, die zur Hälfte abgestorben - tot- war. Bei 2 anderen Bäumen sah ich, daß an Stellen, wo vor langer Zeit wohl ein Ast abgebrochen war, plötzlich ein toter Ast nachgewachsen ist. - Totes ist gewachsen und war plötzlich wieder da ?
Dann hörte ich auf einmal jemand rufen und wachte auf - es war Fayas, der an der Tür klopfte und mich weckte. Ich wollte um 9 Uhr aufstehen, um mit ihm in den 'Mughals Garden' zu gehen, aber es war schon um elf. Den Wecker hatte ich gestellt. Entweder habe ich ihn nicht gehört oder er ist kaputt. Vor 2 Tagen ging er allerdings noch. Seltsam ...
* * *
Wir fuhren einem kleinen Boot zum Ufer, wo jemand mit einem Auto auf uns wartete. Es waren nur ein paar Kilometer zum Garten, der heute angeblich geschlossen ist. Fayas fragte mich, ob ich zum Shankaracharya-Hindu-Tempel will. Ich wollte und wir fuhren hin. Am Fuße des Berges hielten uns Soldaten an, die uns kontrollierten. Diese lächelten mich an und freuten sich, ein weißes Gesicht zu sehen. Oben wurden wir ein zweites mal kontrolliert. Mit einem Soldaten unterhielt ich mich kurz. Er sprach nur wenig englisch, war aber hoch erfreut. Er kommt aus einer Stadt, etwa 1000 km von hier und muß 6 Monate bleiben. Die ganze Zeit muß er auf dem Berg Wache halten. Als ich fragte, ob ich ein Foto machen darf, rief er gleich laut um sich herum und ein paar andere Soldaten kamen hinzu. Sie lächelten und bedankten sich mehrfach. Ich sollte mich zu ihnen hinsetzen, was ich auch eine Weile lang tat tat.
Als ich dann hoch zum Tempel ging, hätte ich eine gute Aussicht, wenn es nicht so nebelig wäre. Im Tempel spielte Musik und Adler kreisten um den Berg. Sie bewegten dabei kaum ihre Flügel, auch wenn sie aufwärts flogen. Die Adler muß nichts interessieren, sie sind völlig frei - Könige der Lüfte, wie man sagt. Ich saß fast eine Stunde da und genoß das Schauspiel. Als ich die Adler fotografierte, schoß ich nebenbei auch heimlich Foto von einer militärischen Sandsackbefestigung.
Später auf dem Hausboot sah ich den Sonnenuntergang und saß mit der Familie in der Küche, trank Tee, spielte ein paar Brettspiele und unterhielt mich.
Man trägt hier im Kaschmir lange geschlossene Stoffmäntel (Panscho), unter dem man in den kalten Abendstunden einen 'fire pot' festhält. Das ist ein kleiner Korb mit einem Holzkohle und Asche gefüllten Tontopf, der gut wärmt. Der Großvater meinte zu dem Panscho, den ich anhatte 'it's brandnew' und daß ich ihn behalten könne (wenn ich ihn bezahle).
Als ich heute Geld tauschen wollte, meinte Fayas, er hätte in der Zeitung gelesen, daß der Kurs nur 1 : 18 wäre, er aber einen Schwarztauscher kennt, der 1 : 19 wechselt. Der Kurs sei in Kaschmir schlechter, weil es ein anderer Teil von Indien ist. Ich glaubte ihm das nicht und ging zur Bank, wo ich etwas über 1 : 20 erhielt. Nebenbei erwähnt, kann er kaum lesen, da er nie zur Schule ging. Warscheinlich hat er sich noch nie eine Zeitung gekauft. Hier muß man echt aufpassen.
Anschließend wollte ich in ein Internet-Cafe. Die Antwort war 'no connection', wegen Stromausfall. Entweder hatte Fayas keinen Bock, oder es war tatsächlich kein Strom da, was in Srinagar fast täglich vorkommt.
Srinagar, 5. Dezember 2000
Es ist wieder Abend und ich sitze auf dem Sessel vor dem Ofen in meinem Zimmer. Für die Leute hier ist es Luxus, denn mein Zimmer ist das einzige mit Ofen. Die anderen haben nur ihren Firepot und eine Wärmflasche fürs Bett.
Heute war ich in 3 verschiedenen Gärten. Im Sommer ist es sicher schön, aber jetzt war nicht viel zu sehen, da es Winter ist und keine Bluben wachsen oder Springbrunnen sprudeln. Der Mann von gestern hatte uns dort hingefahren. Es waren keine 2 Stunden Fahrt bis dort hin, wie es hieß, sondern nach 2 Stunden waren wir wieder zurück. Das war dieser sogenannte Tagesausflug. Daß das 1000 Rupie wert war, bezweifle ich stark.
Danach fuhr ich mit Fayas in einer dreirädrigen Autoriksha durch die Stadt, nachdem ich 3 von ihnen anhielt und den Preis von 500 auf 200 Rs drüchte. Ich sah die Hazratbal-Moschee und das hölzerne Jami Majid-Gebäude, was mich aber nicht unbedingt vom Hocker riß. Reingehen durfte ich nicht, weil ich kein Moslem bin. Der große Markt dahinter war schön und ich kaufte mir ein paar Socken für 10 statt 20 Rs. Ein halbes Kilo Erbsen feilschte ich von 10 auf 8 Rs. Die alte Stadt und die angrenzenden Dörfer, wo wir langfuhren bestanden aus total vielen halb verfallenen Häusern. Ich beobachtete alles aus dem kleinen seitlichen Guck-Schlitz der Rikscha. In der Ferne sah ich das Hari Parbat-Fort auf einem Hügel schimmern, wo man aber nicht rein darf, weil es von Soldaten besetzt ist. Der Rikshafahrer hielt überall an, wo ich wollte. Es war Sonnenuntergangszeit und ich konnte im warmen orangen Sonnenlicht gute Fotos machen. Diese zweistündige Fahrt gefiel mir viel besser gefallen als die Gärten. Nach der etwa 2 Stunden langen Fahrt gab ich ihm 50 Rupie extra, worüber es sich riesig freute.
Den Abend über blieb ich bei der Familie in der Küche, wir unterhielten uns. Es waren auch 2 Nachbarn da und ein Pelz- & Lederverkäufer, der mir seine Sachen zeigte. I want to show you - only 5 minutes. Alles was ich anprobierte würde mir gut stehen. Meine Eltern würden sicher auch was davon gebrauchen und er könne es mir auch per Post schicken.
Ich lebe zwar weit über meinem Tagesbudget, aber es ist ganz nett hier. Doch ewig will ich hier nicht bleiben, denn es ist etwas einsam hier.
Hilala, der kleine etwa 15-jährige Junge (er weiß nicht genau, wie alt er ist) arbeitet als Helfer auf diesem Hausboot und hatte seit seiner frühen Kindheit mit Touristen zu tun. Allein dadurch lernte er gutes Englisch. Fayas war genauso wie Hilala nie in der Schule. Hilala würde gerne gehen, hat aber kein Geld dafür und muß für seine Familie arbeiten.
Nachts sind es nur null Grad, doch tagsüber ist es in der Sonne sehr warm. Nachts hörte ich keine Gewehrsalven, wie es im Reiseführer steht, sondern nur Gebeetsgesänge und bellende Hunde.
Srinagar, 6. Dezember 2000
Gestern Abend hat man mich dazu überredet, mich von Hilala für 400 Rs im Shikara (ein kleines Boot) herumzupaddeln zu lassen. Das Argument, daß das Geld für seine arme Familie ist und ich ganz tolle Fotos schießen könne hatte scheinbar ganz gut gewirkt. Im Morgengrauen war ein Gemüsemarkt, wo sich viele Händler in ihren Shikaras trafen, ihre Waren von einem Boot ins nächste kippten und sich lachend das Geld zuschmissen. Leider war der Sonnenaufgang erst viertel zehn, wo die meisten schon wieder weg waren. Es war ganz interessant, aber lange nicht so toll, wie man es mir vorgeschwärmt hatte.
Am Nachmittag lag ich auf dem Dach des Hausbootes in der Sonne und schrieb ein paar Postkarten. Durch die Lüfte flogen Adler und Krähen, die ich lange Zeit beobachtete.
Dann sah ich, wie sich Nachbarn stritten. Drei Frauen schimpften auf einen Mann ein, schubsten ihn und hauten ab und zu mit einem Stock drauf. Die Frauen plärrten so laut, daß sich die Stimme teilweise überschlug. Gelegentlich brüllte der Mann auch was zurück. Hilala sagte mir, daß er Haschisch geraucht hatte, was den Frauen nicht gefiel. Solche Streitereien kämen öfter vor und sorgen immer für gute Unterhaltung.
Jetzt, wo ich das hier schreibe, sitzt der Pelz- & Lederverkäufer wieder mit im Wohnzimmer. Er will mir diesmal unbedingt Kaschmiri Tee verkaufen. Ich sage immer wieder, daß ich kein Geld dafür habe und ihn nicht haben will, aber er läß nicht nach. Ich könne ihn in Deutschland für das 5-fache verkaufen und die Leute würden mir dafür die Füße küssen. Der Tee würde ganz sicher in meinen Rucksack passen und ist eine unvergeßliche Erinnerung, die ich auch noch nach 20 Jahren genießen kann. Er wiederholte mehrmals, daß der Tee gut für meine Gesundheit ist, ich ihn überall trinken kann und er mir als Freund auch kostenlos Gewürze dazu gibt. Leise flüsterte er mir ins Ohr, daß der Tee besonders gut für Sex ist.
Ich mußte voll lachen und habe mich in meinem Schlafsack verkrochen, was allerdings nicht viel half. Dies war eine köstliche Erheiterung für die gesamte Familie.
Später erzählte er, daß er mir Yoga beibringen will, was eigentlich 60 $ pro Kurs kostet, er das aber kostenlos für mich machen will, weil er mein Freund sei. Ich solle dazu länger in Srinagar bleiben und bei ihm wohnen. Er wiederholte seine Teegeschichte, betonte, daß Geld kein Problem ist und ich mir darüber keine Gedanken machen soll.
Srinagar, 7. Dezember 2000
Ich hocke in der Küche und niemand ist weiter da. Ich schaue durch einen Schlitz zwischen den Brettern des Fußbodens in das darunterliegende Wasser. Es ist nur einen halben Meter tief und auf dem Grund liegen massig Eierschalen, riesige Mengen an Knochen und überall dazwischen sieht man mehr Reiskörner als den eigentlichen Boden. Vereinzelt auch eine Plasteverpackung oder aufgeweichte Zeitung. Küchenabfälle der letzten Jahre halt.
Um den See herum stehen Schilder: Rettet den Dal-See. Fayas sagte, daß es ein Aufruf an die Menschen ist, nicht ihren Müll im See zu entsorgen. Die meisten lassen alles einfach fallen, wenn sie etwas nicht mehr brauchen. Zwar gibt es am Ufer eine Menge Abfalleimer, allerdings habe ich kaum einen gesehen, wo etwas drin lag. Mehraj sagt, er sammelt seinen Müll, aber die anderen seiner Familie schmeißen ihn trotzdem überall hin, obwohl er sie schon oft ermahnte. Jetzt im Moment kommt unter mir langsam eine rot-goldene Zigarettenschachtel und eine Glühbirne vorbeigeschwommen.
Gestern abend, als ich in meinem Zimmer war, sah ich auf einmal 2 Vögel aneinandergekuschelt auf der Gardinenstange über meinem Fenster sitzen. Sie schauten mich an und zuckten auch kein bischen, als ich ganz nah an sie herankam. Mittlerweile sind sie aber wieder irgendwo unterwegs.
Gegessen wird bei den Moslems mit der rechten Hand, nachdem man sie in einer Schale mit Wasser abgespült und Bismila gesagt hat. Ich hätte mit Besteck essen können, matschte aber lieber auch mit der Hand im Essen rum, knabberte an Knochen und leckte mir hinterher die Finger ab. Nach dem Essen spült man sich sich die Hand wieder in der Wasserschale und sagt Alhamdullala. Damit bedankt man sich bei Gott.
Am Nachmittag fragte ich Mehraj verschiedene Sachen:
Strom kostet 2000 Rs pro Monat für jedes Hausboot, egal wieviel man verbraucht. Der Schulbesuch kostet 500 Rs für jedes Kind im Monat. Die Schulzeit beginnt mit dem 7. Lehensjahr und geht 15 Jahre. Es werden Fächer unterrichtet, wie Mathe, Physik, Geschichte, Islamik und die Sprachen Kaschmiri, Urdu, Englisch und Hindi. Montag bis Freitag sind 8 und am Samstag 4 Stunden Unterricht. Ferien sind von Mitte Dezember bis Mitte März und im Sommer noch mal 15 Tage. Mehr gibt es nicht.
Srinagar, 8. Dezember 2000
Gestern wollte ich um 8 aufstehen, aber es war so kalt, daß ich bis Mittag schlief. Der Himmel war mit Wolken bedeckt und es war nichts von der sonst wärmenden Sonne zu sehen. Als ich dann eine halbe Stunde lang in einer Badewanne mit heißem Wasser lag, war mir das aber völlig egal. Den restlichen Tag blieb ich auf dem Hausboot, schaute bei Nachbarn vorbei, die gerade Kaschmiri Brot machten und bekam gleich eine Kanne Tee angeboten. Ich mahlte das Spiel Mühle auf ein Holzbrett und zeigte den Leuten, wie man das spielt. Sie lerntes es schnell und sie hatten Gefallen daran.
Als ich am Nachmittag zur Bank wollte, sagte man mir, daß diese schon geschlossen ist. Allerdings brauchte ich Geld, denn ich wollte am nächsten Tag weiterreisen. Man wollte mir den Schwarzhändler holen, aber dieser würde mir einen sehr schlechten Kurs anbieten, da er weiß, daß ich dringend Geld brauche. Die Bank macht erst ab 10 Uhr auf und danach würde kein Bus mehr fahren, weil dieser sonst nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit in Jammu ankommt und es dann auf der 300 km langen Straße durch die Berge zu gefährlich ist.
Ich dachte über das scheiß Geld nach, was mich ankotzt und begann depressiv zu werden. In Deutschland dreht sich alles nur ums Geld und jetzt, wo ich in Indien bin, ist es wieder dieses scheiß Geld. Als mich in Gedanken der Schwarztauscher mit einem schlechten Kurs abzuziehen versucht, spuckte ich ihm ins Gesicht und schmiß meine 50 Mark mit der Worten It's better to give it to the fishes than to you aus dem Fenster. Das hätte ich vielleicht auch wirklich getan.
Als die anderen mitkriegten, daß ich bewegungslos in Gedanken vertieft war, fragten sie mich, was los ist. Ich antwortete nicht und ging raus, wo es angefangen hatte zu regnen. Als ich auf Steg satand und überlegte, ob ich ins Wasser springe, kamen Fayas und Mehraj angerannt und hielten mich fest. Sie fragten mich, was los ist, ob ich meine Familie vermisse. Sie würden mit mir jetzt gleich zum Telefonladen gehen und ich brauche für das Gespräch nichts zu bezahlen. Sie sagten auch, daß sie mir die Busfahrt nach Jammu bezahlen wollen. Ich ging wieder mit ins Haus. Sie zogen mir die naßen Strümpfe aus, legten mir eine Decke um und stellten mir einen Firepot zwischen die Beine, wo der Großvater etwas qualmendes reinschmiß und sagte, daß es gut für meine Gesundheit ist.
Die ganze Familie war um mich herum versammelt, rüttelten an mir und fragten immerfort, was los ist. Mir liefen die Tränen übers Gesicht. Sie stelleten verschiedene Vermutungen an und wollten den Doktor holen, wenn ich nicht rede. Sprich mit uns sagte der Großvater immer wieder.
Irgendwann war es dann so weit, daß ich wieder reden konnte. Ich sagte, daß es immer mal vorkommt, einen Depri zu haben und erzählte ein wenig über mein Leben. Mehraj sagte, er war in England und hatte einen guten Job. Doch er merkte bald, daß Geld nicht das wichtigste ist. Er fühlte sich einsam und hatte Probleme, Leute zu finden, mit denen er sich unterhalten kann. Er arbeitet so lange, bis er genug Geld für den Rückflug zusammen hatte und schmiß den Job, um zu seiner Familie zurückfliegen zu können. Er wollte es eigentlich niemand weiter erzählen.
Geld ist nichts - denke nicht über Geld nach! Er sagte mir, ich könne so lange bleiben wie ich möchte, ohne was dafür zu bezahlen. Seine Familie wäre meine Familie. Dann holte er ein Spiel und ich sollte spielen, damit ich mir nicht so viele Gedanken mache. Mehraj bot mir an, in seinem Zimmer zu schlafen, was ich auch tat. Wir unterhielten uns noch eine Weile, bevor wir einschliefen und draußen fiel der erste Schnee.
So etwas hatte ich noch nie erlebt.
* * *
Es ist schon wieder tief in der Nacht und ich liege im Schlafsack auf dem Fußboden zwischen mehreren Schichten aus Decken. Heute morgen bin ich mit den anderen der Familie 4 Uhr
aufgestanden und habe gegessen. Es ist Ramadan, wo man zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht essen, trinken oder rauchen darf. Interessehalber habe ich das einfach mitgemacht. Danach gingen wir wieder schlafen. Von draußen höhrte ich die Gesänge der Moslems, die mehrmals täglich überall in der Stadt beten.
Als ich aufwachte, war es Mittag. Ich ging zur Bank und wechselte 50 $. Das erste, was der Bankangestellte zu mir sagte, war: zeige ihm bitte deine Zunge. Dem Mann, dem ich meine gepiercte Zunge zeigen sollte, fragte mich, ob das der Schmuck meines Landes wäre. Ich versuchte ihm zu erklären, daß das einige Leute haben, denen es gefällt, aber nicht jeder. Da er es nicht so richtig begriff, ließ ich ihm im Glauben, daß in meinem Land alle mit Lippen- und Zungenpiercing rumlaufen.
In der Stadt kaufte ich mir Schampoo, Briefumschläge, Briefpapier und ein paar Süigkeiten. Dabei sah ich zum ersten mal einen weißen Touristen in dieser Gegend und wir schauten uns im vorbeigehen freudig an. Heute schien keine Sonne und es blieb dementsprechend kalt. Allerdings ist der Schnee wieder getaut. Den restlichen Tag saß ich mit ein paar aus der Familie zusammen, schrieb Tagebuch, unterhielt mich, versuchte ein wenig Hindi zu lernen und machte 20-30 mal die Küchentür zu, da die Leute hier irgendwie nicht begreifen, daß es sonst kalt wird.
Ich kann jetzt die Zahlen 1-10, 20, 30, 40, 50, 60, 100 und ein bischen 11-17 auf Hindi. Außerdem kann ich die Sätze Mach mir einen guten Preis, Du bist ein Betrüger und Haltet den Dieb. Es ist schwierig, einige Laute auszusprechen und andere klingen für mich völlig gleich. Aber genauso haben die Leute hier Probleme, die Zahl fünf auszusprechen. Sie sagen immer fum. Für 50 Rs kaufte ich ein altes Hindi-Schulbuch, das die eine Tochter nicht mehr brauchte. Ich kann die Schrift nicht lesen, da es ein ganz anderes Alphabet ist, aber in Dharamsala soll es tibetische Mönche geben, die einem kostenlos Hindi lehren. Mal sehen, ob ich das mache. Das hängt stark von den dortigen Temperaturen abhängt, denn dort soll es nämlich noch kälter sein als hier. 17.25 Uhr war die Fastenzeit vorbei und wir aßen und tranken zusammen.
Rezept für ein Getränk namens Bablebol :
- Wasser heiß machen, aber nicht kochen
- Mohnkörner reinschmeißen
- 30 Minuten bei kleiner Flamme auf dem Herd stehen lassen
- etwa soviel Milch dazugeben, wie Wasser im Topf ist
- Zucker, Zimt und etwas Kokosnuß reinschmeißen
- umrühren und fertig
Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden, aber hat ganz lecker geschmeckt
Ansonsten kann man ja auch experimentieren ...
Srinagar, 9. Dezember 2000
Das letzte mal liege ich im Bett in Srinagar. Dieser Teil der Stadt, was auf dem Wasser schwimmt ist zwar ein netter Ort, die Familie ist freundlich, aber es ist auf die Dauer etwas langweilig. Im Reiseführer habe ich heute eine ganze Menge gelesen und mir einen kleinen Reiseplan zusammengestellt. Ich bin ganz froh, daß ich weiterziehe, denn dieses etwas teure zu Hause hat mir meinen Geldbeutel schon erheblich erleichtert. Außerdem will ich neues sehen und was erleben. Den Frauen gab ich 100 Rupie Trinkgeld, da sie immer den halben Tag hinter dem Kochtopf standen oder andere Sachen im Haushalt machten. Den anderen habe ich auch noch etwas in die Hand gedrückt. Nun werde ich erst einmal schlafen, denn morgen muß ich kurz vor sieben aufstehen.
Auf dem Weg nach Dharamsala, 10. Dezember 2000
Es ist 11 Uhr. Nachdem wir schon ein ganzes Stück gefahren sind, steht der Jeep jetzt auf einem Parkplatz irgendwo in Kaschmir. In einer Stunde wird die Straße wieder aufgemacht. Zwischen den wartenden Bussen, Autos und Lastern laufen mehrere Leute rum, die Tischdecken und Essen verkaufen wollen. Sie klopfen immer wieder bei mir ans Fenster, aber ich beachte sie gar nicht mehr. Gerade ist ein Junge mit Zeitungen vorbeigelaufen. Von dem wollte ich eine kaufen, aber ausgerechnet dieser ging weiter ohne in meine Richtung zu schauen. Würe doch schon gerne wissen, was so abgeht in der weiten Welt. Ein anderer Typ läuft in einem knallbunten neonfarbenen Pullover rum und findet diesen scheinbar megatoll.
In der Nacht wurde ich wach und spürte im Bauch ein unangenehmes drücken. Da ich seit 2 Tagen nicht mehr auf dem Klo war, dachte ich, daß es ganz angebracht wäre, dies endlich zu tun. Nach einer Weile kräftigem drücken kam was raus, aber nicht sonderlich viel. Daß ich nur in Unterhose in der Kälte zum Klohäuschen lief, hat mich komischerweise nicht gestört. Den Rest der Nacht schlief ich nicht besonders gut und hatte Träume, wie z.B. daß ich mein Flugzeug verpasse.
Am Morgen war ich noch 2 mal auf dem Klo, aber es kam auch nicht die riesige Wurst raus. Daß ich plötzlich nicht am Tag, sondern in der Nacht gegessen habe, hat meinen Körper wohl etwas durcheinandergebracht. Ich muß ständig röpsen und furzen, was so riecht, als hätte ich massig Eier gegessen. Vor der Abfahrt in Srinagar habe ich nur Kaschmiri Tee getrunken, da ich das Gefühl hatte, sonst kotzen zu müssen. Danach hatte mich Fayas zum Jeep gebracht, der nach Jammu fährt, von wo aus ich mit dem Bus weiter nach Dharamsala will. Das sind dann noch einmal 300 km.
Neben meinem Auto versucht gerade ein Vogel einen ausgespuckten Schleimbatzen zu fressen, während der Fahrer des Jeeps fasziniert zuschaut, wie ich diesen Text schreibe.
Mcleod Ganj bei Dharamsala, 11. Dezember 2000
Es ist viertel neun und ich sitze im winzigen Yak Restaurant in Mcleod Ganj bei Kerzenlicht (wegen Stromausfall) und esse Tigomos. Das ist eine Art Teig, der aussieht wie Sprühsahnehäufchen in der Größe kleiner Brtötchen. Dazu bestellte ich mir sweet & sour veg - eine Schüssel mit heißen Zwiebeln, Möhren, Blumenkohl, Salat, Bohnen und Paprika in leckerer Soße. Dazu trank ich Jasmintee, Ginger Milk Tea und Chai für zusammen 83 + 2 Rupie. Die Tigomos habe ich gar nicht alle geschafft und ich bin voll satt gewurden. Am Nachbartisch sitzen ein paar Tibeter und schlürfen ihre Suppe. Einer von ihnen hat sogar 2 Löffel in den Händen, die er sich abwechselnd in den Mund schaufelt.
Vorhin habe ich mir ein Hotelzimmer für 90 Rs gemietet. Es ist ein Doppelbett drin und ein paar Regale an der Wand. Es gibt ein Gemeinschaftsbad mit kalter Dusche. Von der Terasse aus habe ich einen schönen Ausblick in das Tal und die Berge. Es sind so viele Lichter zu sehen, daß man denkt, hier wäre eine Großstadt in den Bergen.
Als ich auf dem steilen Weg von Dharamsala nach Mcleod Ganj lief, ist der Vollmond über den Bergen aufgegangen und ein Tibeter nahm mich kostenlos mit nach oben. Er hieß Ching Ling oder so ähnlich. Ich hatte nämlich keinen Bock, mir ein teures Taxi zu nehmen und bin mit meinem dicken Rucksack einfach losgelaufen. War ganz gut, daß Ching Ling anhielt, denn der Weg war doch ganz schön lang und teilweise megasteil.
Die letzte Nacht schlief ich in Jammu, wo ich nach 11 Stunden Fahrt durch die Berge ankam. Heute morgen wurde ich dann auf dem riesigen Busbahnhof fast eine Stunde lang zwischen den verschiedenen Fahrkartenschaltern und Busplätzen hin und her geschickt, weil keiner wußte, welcher Bus nach Dharamsala fährt oder man mir irgendwelchen Blödsinn erzählte. Einer hat mich dann endlich zu einem Bus gebracht, der nach Pathankot fuhr, von wo aus ich weitergekommen bin. Ich wollte meinem Helfer ein paar Rupie als Dankeschön geben, aber das lehnte er ab. Dafür freute er sich über ein paar Süßigkeiten, die ich noch hatte.
Die alten, leicht verbeulten Busse waren bei den schlechten Straßen ziemlich laut. Etwa als ob man mit einem Trabi 50 km/h schnell über schlechtes Kopfsteinpflaster fährt und den Kofferraum voll mit Werzeug hat. Das fiel mir aber erst richtig auf, als die Fahr vorbei war und mir die Ohren fiebten. Auch hatte ich festgestellt, daß mein Hintern einen leichten Bluterguß hat, obwohl ich die Fahrt eingentlich gar nicht so schlimm fand. Meine Bauchbeschwerdn hatten sich übrigens erledigt, nachdem ich heute morgen auf dem Klo massig gefurzt und dünnen Ausfluß von mir gegeben habe.
Mcleod Ganj bei Dharamsala, 12. Dezember 2000
Es ist Dienstag morgen, ich sitze auf der Dachterasse des Om Restaurant und warte auf meine Frühlingsrollen. Der Ausblick ist phantastisch und man kann ewig weit in die Täler und Berge blicken, da Mcleod Ganj ziemlich hoch liegt. Selbst in diesem winzigen Dorf, was nur aus 2 parallelen Straßen besteht, kommt man an jeder Ecke ins Internet, aber die Säcke haben scheinbar eine Preisabsprache auf 60 Rs die Stunde. Vielleicht läßt sich der Preis noch drücken, wenn ich mehrere Stunden lang surfe. Jetzt gleich gehe ich erst einmal Geld wechseln und frage in ein paar Hotels, ob ich für ein paar Rupie heiß duschen kann. Es ist zwar lange nicht so kalt, wie in Srinagar, aber auf kalte Dusche habe ich echt kein Bock.
* * *
An diesem Tag fragte ich im tibetischen Tse Shok Ling Monastery, ob ein Zimmer frei ist und ich hatte Glück. Im Reiseführer steht, daß dies das schönste Kloster ist. Zwar wollte ich gleich am ersten Tag dort hin, aber als ich Montag ankam, war es dunkel und ich fand den Weg nicht. Weil ich nicht wußte, wie man den Namen richtig ausspricht, konnte mir auch keiner Auskunft geben. Ich beschloß, am nächsten Tag umzuziehen, denn diese Nacht mußte ich noch das Zimmer im Ashoka Guest House bezahlen.
Beim Spaziergang durch den Wald sah ich viele Affen, die sich im Wald tummelten. An einer Stelle hockte ich mich hin und wartete darauf, daß sich ein kleines Affenbaby umdreht, um ein Foto zu machen. Etwa 3 Meter von mir entfernt, fingen 2 Affen an, aufeinander rumzuhoppeln. Ich drehte mich mit der Kamera rum, aber da hatten die schon wieder aufgehört und schauten etwas gelangweilt durch die Kante. Nach einigem warten fingen sie wieder an, ich schaute in die Kamera, aber da wars schon wieder vorbei. Schließlich hat es dann doch geklappt, die Affen beim wilden Quickie zu knipsen..
Abends war ich für 250 Rs 5 Stunden im Netz, wollte mein Tagebuch anfangen abzuschreiben und nach meinen mails zu schauen, bekam jedoch ständig Fehlermeldungen und das downloaden des kleinen Programmes, was ich zum arbeiten brauche, dauerte ganze 2 Stunden. Dies war umsonst, denn die Adresse meiner Seite würde angeblich nicht exestieren. Das angefangene Tagebuch schickte ich verzweifelt per mail an Szapi, der das Update von Deutschland aus auf meine Seite brachte.
Am nächsten Tag nahm ich im Kloster eine heiße Dusche, wusch mir die Haare und fühlte mich danach gleich viel besser. Ein Franzose, der mit im Kloster wohnte, ist schon oft durch Indien gereist und nannte mir einige nette Orte. Als ich später durch die Stadt lief, rief mich ein Schuhmacher zu sich hin, weil meine Schuhe etwas kaputt waren. Er fing an, Flicken zu schneiden und Kleber anzurühren. Ich sagte, ich will erst wissen, wieviel das kostet, bevor er anfängt sie zu reparieren. Er sagte, er schaue sich das nur an, was nichts kosten würde und arbeitete eifrig weiter. Ich wollte ihm die Schuhe nicht aus den Händen reißen, wofür ich anschließend 320 Rupie bezahlte.
Zwei Tage später sind die Schuhe an einer anderen Stelle wieder aufgeplatzt. Ich kaufte mir damals extra diese teuren Schuhe von Jack Wolfskin in einem Trekkingladen, weil ich dachte, daß diese eine gute Qualität haben, aber schließlich waren sie auch nicht viel besser als welche von Deichmann.
Am nächsten Morgen stand ich zeitig auf und fuhr zum 3 Stunden entfernten Felsentempel. Die Busfahrer freuten sich über meine Anwesenheit, gaben mir vor der Fahrt und während der Zwischenstops Chai aus. In Masur angelangt, mußte ich mir einen Jeep mieten, um zum Tempel und zurück zu kommen. Zu meiner Freude ist ließ sich die indische Regierung vor kurzer Zeit einfallen, von Ausländern 5 $ Eintritt zu verlangen, was 230 Rupie entsprach.
Ein Wärter erzählte mir die Geschichte des Tempels. Er sprach so schlecht Englisch, daß ich nicht weiß, ob das, was ich verstand, auch richtig ist.
Dieser Hindu-Tempel ist 5000 Jahre alt und die Erbauer sind unbekannt. Er wurde der Sage nach innerhalb einer Nacht erbaut und niemand sollte ihn sehen, bevor er fertig ist. Eine Frau, die in dieser Nacht zum Holz hacken in den Wald ging, entdeckte, den unfertigen Tempel und man hatte sie bei Sonnenaufgang tot aufgefunden. Früher stand im Tempel eine Statue, die jedoch während der englischen Besatzungszeit in das London Museum gebracht wurde.
Im Jahre 1905 gab es ein verheerendes Erdbeben in Indien, was neben vielen Städten auch diesen Tempel stark beschädigte. Ich sah einige Inschriften, deren Bedeutung niemand entziffern konnte und die Reste der Skulpturen von den Göttern Brama, dem Erschaffer der Welt, Bishu, dem Erhalter der Welt und Shiva, der Zerstörerin der Welt. Besonders hat mich der Tempel allerdings nicht beindruckt und nach einer halben Stunde fuhr ich wieder zurück.
Mcleod Ganj bei Dharamsala, 15. Dezember 2000
Es ist abends um elf und ich bin eigentlich voll müde und habe keine Lust zum schreiben. Doch der heutige Tag war so schön, daß ich das nicht alles vergessen will. In der Nacht wurde ich wach, weil ich mal mußte. Als ich beim pinkeln auf die Uhr schaute, war es halb sieben und ich dachte mir, daß es eine gute Zeit ist, um aufzustehen. Aber so schnell wie der Gedanke kam, lag ich schon wieder im Bett. Mir gingen einige Sachen durch den Kopf und ich träumte vor mich hin. Nach einer dreiviertel Stunde stand ich auf. Damit mir das nicht so schwer fällt, ließ ich die letzten 2 Nächte einen meiner Pullis an. Es wird nämlich recht kühl in der Nacht. In einem Monat soll es hier schneien.
Nachdem ich eine Weile in der Küche zum Frühstück saß und mir ein Mönch Spiegeleier machte, kamen zwei andere Mönche herein. Wir sahen und die BBC world news im TV an und ich unterhielt mich danach eine ganze Weile mit dem einen. Er hatte Zeit, weil er sich für heute Urlaub nahm.
Die meisten Mönche stehen nicht alle frühs um vier auf, wie ich dachte, sondern schlafen länger. Jeder hat so seine Aufgaben. Die kleinen gehen zum Unterricht, andere arbeiten im Büro oder machen sonstige Dinge.
Der Mönch erklärte mir die Bedeutung der vielen Wasserschälchen im Tempel. Sie stellen symbolische Gaben an Buddha dar. Buddha will kein Geld oder wertvolle Geschenke, sondern einfach nur Wasser. Man überreicht damit etwas von Herzen. Zum Beispiel gibt man ihm damit gedanklich Brot, damit er was essen kann oder Musik, damit sie ihn erheitert. Der Mönch sagte, er habe nichts gegen andere Religionen, denn jeder muß seinen eigenen Weg finden. Welchen oder ob er einen Glauben hat, spielt dabei keine Rolle.
Nach dem Gespräch bummelte ich durch Mcleod Ganj und gab meine ersten 12 Filme in Entwicklung, wobei ich aber aus Kosten- und Platzgründen nur die Negative ohne Abzüge machen ließ. Im Yak Restaurant aß ich ein fettes Essen und bummelte durch viele Läden. Bei einigen Sachen bin ich am überlegen, ob ich sie kaufe. In einem kleinen Laden saß ich eine ganze Weile und hörte tibetische Musik. Ich überlegte, ob ich mir ein paar Kassetten mit tibetischer und Hindi-Musik kaufe, aber ich muß aufpassen, daß ich nicht zu viel Geld ausgebe, denn ich habe nur 400 Rs am Tag , was für Übernachtung, Essen, Zug, Bus und alle anderen Kleinigkeiten reichen muß.
Auf der Straße bettelte mich wieder ein kleines Mädchen an, das hier den ganzen Tag verdreckt mit einem Baby rumläuft. Ich ließ ihr übersetzen, daß ich ihr kein Geld gebe, aber wenn sie will, gehe ich mit ihr in ein Restaurant und bezahle ihr das Essen. Doch das wollte sie nicht und hielt mir die Hand für Geld hin. Scheinbar geht es ihr gar nicht so schlecht, wie sie vorgibt.
In einem Laden, wo viele Schachbretter standen, fragte ich den Besitzer, ob er Lust hat, mit mir eine Runde zu spielen. Er stellte die Figuren auf und wir fingen an. Wir waren etwa gleich gut, allerdings verlor ich nach 2 dummen Fehlern, obwohl es vorher gut für mich aussah.
Als ich danach in den Wald gehen wollte, sprachen mich ein Mann und eine Frau an, die 2 Kinder bei sich hatten. Sie fragten mich, aus welchem Land ich bin und erzählten mir, daß sie aus Kalkutta gekommen sind, um eines der Kinder bei einem tibetischen Arzt wegen eines Tumors im Kopf behandeln zu lassen. Nun hätten sie kein Geld, nach Kalkutta zurückzufahren, was 1200 Rs kostet. Die letzten Nächte hätten sie ohne Decken in einem Tempel geschlafen, was sehr kalt war. Der Mann zeigte mir seinen Führerschein, auf dem seine Adresse stand. Ich sagte, daß ich nicht viel Geld habe und gab ihnen 200 Rupie. Ich fragte, ob ich dafür vielleicht ein paar Tage nach Kalkutta kommen und bei ihnen übernachten kann. Die Frau sagte, ich soll ihr eine e-mail schreiben, wann ich ankomme und sie holt mich vom Bahnhof ab. Sie erzählten mir, daß ihnen keiner helfen wollte und sie nicht wissen, was sie nun machen sollen. Sie hatte ihr letztes Geld für Essen ausgegeben und nur noch 10 Rs in der Tasche. Sie wollten mir das Geld auf jeden Fall zurückgeben, in Kalkutta wäre es kein Problem dieses zusammenzubekommen.
Ich war eine ganze Weile am überlegen. Einerseits ist die Gefahr, daß ich das Geld nie wieder sehe, aber anderseits dachte ich, daß es eine ziemlich beschissene Situation für die Familie ist, wenn das alles stimmt. Die Leute machten einen ganz anderen Eindruck, als die Bettler auf der Straße und sprachen beide gutes Englisch. Ich kratzte all mein indisches Geld zusammen und gab ihnen die fehlenden 1000 Rupie für den Zug und 50 Rs extra, um sich was zum Essen zu kaufen, denn nach Kalkutta sind ist etwa 1300 km, wofür man schon in Indien schon eine ganze Weile braucht. Ich ließ mir die e-mail und Postadresse aufschreiben und gab ihnen meine. Sie freuten sich und wollten mir eine mail schicken, wenn sie angekommen sind. Ich fragte die Frau, was sie arbeitet. Sie ist Lehrerin. Ich verabschiedete mich und wünschte ihnen, daß alles gut geht.
Ich ging einen steilen Weg in den Wald hinein. Unterwegs fotografierte ich einen Affen, wie er mir die Erbsen aus der Hand nahm, die ich ihm hinhielt. Ein anderer versuchte später, mir von hinten die ganze Tüte zu entreißen.
In einer Imbißbude trank ich einen großen Chai und folgte einem Weg, der zu einem sehr hohen Berg führt. Er ging an an einem Dorf vorbei, endete aber an irgendeinem Haus. Ich stieg dann einfach so weiter hinauf und fand ein paar Trampelpfade, die sich nach einer Weile wieder auflösten. Hier und da hatte ich fast senkrechte Hänge mit tiefen Abgründen neben mir. Wenn sich ein Stein unter meinen Füßen gelöst hätte, wär das mein Abflug gewesen. Nachdem ich ziemlich hoch war, stieß ich unerwartet auf einen recht guten Weg, dem ich folgte. Die Aussicht und der Blick in die Tiefe waren herrlich. Ab und zu kamen ein paar Leute. Leider konnte ich den Sonnenuntergang nicht sehen, weil sich einige Wolken davorschoben. Es wurde dunkel, aber ich beschloß weiterzugehen, denn ich wollte die ganzen Lichter der Häuser in den Bergen und Tälern sehen.
Es war schon sehr dunkel, als am Rand des Weges ein Mann saß der mich fragte, wo ich hin will. Er sagte, der Weg endet an dem Cafe. Ich setzte mich zu ihm und erfuhr, daß er der Besitzer des Cafes ist. Er sitzt gerne oben auf den Bergen, wo man von der Ferne viele Stimmen, hupende Autos, Vögel und das geplätscher eines Gebirgsbach hört. Nach einer ganzen Weile machten wir uns auf den Rückweg. Er erzählte, daß er es war, der den Weg auf diesen Berg baute. Als 16-jähriger hatte er die Idee eines Cafes auf dem Berg und fing mit der Arbeit an, die viele Jahre dauerte, Arbeit und Geld kostete.
Er zeigte mir die Stellen, wo er dafür Steine aus dem Felsen geschlagen hatte. An mehreren Stellen will er den Weg noch verbessern oder reparieren, denn der Monsun hinterläßt seine Spuren. Aber er hat kein Geld für neues Werkzeug, denn das alte ist nach einiger Zeit hinüber gewesen. Etwas schwermütig zeigte er mir eine Bank, die er aus Stein gehauen und zusammengesetzt hatte, damit sich Leute draufsetzten und den Ausblick genießen können. Aber diese ist kaputt gegangen. Andere Steine liegen immer noch genauso, wie er sie vor Jahren besfestigt hat. Der Weg und das Cafe auf dem Berg, das war sein Traum, den er sich zum Hobby gemacht und verwirklicht hat. Ab und zu kommt es vor, daß er nachts auf dem Heimweg Leute findet, die sich verletzt oder verlaufen haben. Ich aber hatte meine Taschenlampe dabei, die nebenbei erwähnt 3 Wochen lang ununterbrochen leuchten kann, wasserdicht und unzerbrechlich ist. Daher gab es keine Probleme beim Abstieg.
Im Dorf lud er mich noch zu einem Glas Chai in seinem Haus ein, wo seine Frau mit seinen 2 kleinen Kindern im Doppelbett lagen. Er gab mir Kekse und brachte einen Teller mit Reis und Dahl. Er sagte, wenn ich will, kann ich morgen früh zu ihm hoch ins Cafe kommen, dann zeigt er mir, wie man Chai kocht. Außerdem zeigt er mir den Weg nach Triund, einer sehr schönen Stelle in den Bergen, etwa 2 Stunden entfernt. Wenn ich will, kann ich auch bei ihm oben im Cafe schlafen. Was ich ihm dafür gebe, solle ich selbst entscheiden. Ich unterhielt mich noch mit ihm und seiner Frau. Nebenbei schauten wir einen Hindi-Musik-Kanal im Fernsehen.
Daß ich morgen um 6 aufstehe, um zum Sonnenaufgang auf dem Berg zu sein, glaube ich nicht, denn es ist schon halb zwei. War aber ein echt schöner Tag heute.
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