Tobi



Wie jeden Morgen wenn der Hahn kräht und die ersten Sonnenstahlen in der Nase kitzeln, wacht Tobi auf. Er hört den Gesang der Vögel, die draußen zwitschern. Der kleine Hund hatte etwas schönes geträumt und will es seiner Mutter erzählen, doch als er sie anstupst bewegt sie sich nicht. Er stupst sie noch einmal, aber sie reagiert nicht. Ein eiskalter Schauer fließt über Tobis Rücken, alles um ihn herum wird dunkel, er bricht zusammen. Als er erschrocken aufwacht sieht er eine kahle Wand, rostige Gitterstäbe und hat einen üblen Geruch in der Nase. Hunde bellen. Hunde knurren, stehlen ihm sein Essen. Dafür, daß er das Fell der anderen säubert, wird er gebissen, angepinkelt. Oft sitzt Tobi am Gitter, drückt seine Nase zwischen die Gitterstäbe und schaut nach draußen. Ständig ist er traurig. Nur für einen kurzen Moment hat er ein Gefühl der Freude, wenn ihm jemand etwas zu Essen gibt.
Eines Tages will ihn ein kleines Kind haben und Tobi wird mitgenommen. Nun lebt er in einem großen Haus. Das Kind spielt viel mit ihm. Tobi würde gerne mit einem Ball spielen oder Stöckchen holen, doch statt dessen wird er mit blöden Puppensachen angezogen und im Kinderwagen herumgefahren. Als er größer wird, paßt er nicht mehr in sein Körbchen und muß unter dem Tisch auf dem kalten Fußboden schlafen. Das Kind hat keine Lust mehr mit Tobi zu spielen. Es ist schon total davon genervt, daß es drei mal am Tag mit Tobi Gassi gehen muß. Wieder ist Tobi oft traurig, sitzt vor dem Fenster und schaut raus zu den Vögeln, deren Gesang er über alles liebt. An einem Abend geht das Kind weg und ist am nächsten Morgen immer noch nicht zurück. Tobi muß aber dringend pinkeln, heult und kratzt an der Tür, aber niemand kommt. Gegen Mittag kann er es nicht mehr halten und macht in die Ecke. Nun hat er ein total schlechtes Gewissen und läuft nervös im Zimmer hin und her. Am Nachmittag kommt der Vater und Tobi hört wie er flucht, daß es hier so sehr stinkt. Dann fliegt die Tür auf, der Vater brüllt Tobi an, packt seinen Kopf und schlägt seine Nase mehrmals mit voller Wucht in den Haufen. Nun zerrt er Tobi an seiner Vorderpfote nach draußen vor die Tür, sagt daß er sich verpissen soll, weil ihn sowieso keiner haben will und tritt Tobi so sehr in die Rippen, daß er laut jaulend in den Schnee fliegt und beim weghumpeln immer wieder vor Schmerzen zusammenbricht, bis er auf einer Wiese liegen bleibt.
Es ist schon dunkel, als Tobi aufwacht weil ihn jemand liebevoll ableckt. Es ist eine Hündin mit zerstruppelten Fell und einem süßen Blick. Diese nimmt ihn in einen Keller mit, in dem sich mehrere Hunde eingenistet haben. Es ist schön warm, weil hier eine Heizungsanlage steht, neben die sich Tobi auch gleich legt. Susi, die Hündin, bringt ihm ein Stück Fleisch, was er mit viel Freude ißt, denn er hatte schon lange keins mehr gehabt. Als sich Tobi schlafen legt, kuschelt sich Susi an ihn und beide schlafen ein. Von nun an geht es Tobi wieder gut. So viel Freude hatte er in seinem ganzen Leben nicht gehabt. Mal ist er mit Susi alleine, mal streunert er mit den anderen Hunden herum, um die Gegend unsicher zu machen. Es werden Katzen gejagt, Mülltonnen durchstöbert, auf Baustellen geklettert, verstecken gespielt, alles mögliche in den Keller geschleppt und vieles mehr. Am schönsten findet es Tobi aber immer noch mit Susi zusammen zu sein.
Als er eines Tages gerade unterwegs ist und wieder in den Keller will, hört Tobi schmerzhaftes Hundeheulen. Vor dem Haus steht ein Wagen mit Gitter in den Fenstern. Er sieht, wie mehrere Männer aus dem Haus kommen, die seine Freunde mit Eisenschlingen und Netzen herauszerren. Sie versuchen sich zu befreien, doch sie schaffen es nicht, werden getreten und mit Stöcken geschlagen. Tobi sieht, wie seine Susi und die anderen Freunde in das Auto getrieben werden.
Selbst als es schon lange weggefahren ist, sitzt er noch da und schaut in die Richtung des Hauses, in dem er mit Susi und seien Freunden gewohnt hat. In seiner Erinnerung sieht er sie noch spielen. Besonders seine Hündin mit dem süßen Blick, die er über alles liebt, doch jetzt sind sie alle weg und er wird sie nie wieder sehen. Tobi spürt eine große Leere in sich. Aus seinen Augen laufen Tränen und ein brennender Schmerz bohrt sich tief in seine Brust. Mit herunter hängendem Kopf läuft Tobi langsam davon.




von Beauty





Dieses und viele weitere Märchen von Straßenkindern stehen im Buch Herr Alp und die Träume.
Die meisten davon sind auch nicht so traurig (-;

150 Seiten mit farbigen Illustrationen
ISBN: 3-932003-02-0
12,90 Euro

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